Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) by Bilyeau Nancy

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) by Bilyeau Nancy

Autor:Bilyeau, Nancy [Bilyeau, Nancy]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Deutscher Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2013-11-21T23:00:00+00:00


VIERTER TEIL

Kapitel 28

Bruder Edmund hörte sich meine Geschichte von den zwei Prophezeiungen, die mich wider meinen Willen einem unbekannten und von mir gefürchteten Schicksal entgegenführten, schweigend und mit ungeteilter Aufmerksamkeit an. Nur einmal unterbrach er mich, nachdem ich berichtet hatte, dass Schwester Elizabeth Barton die Worte einer anderen Seherin, einer Mother Shipton aus Yorkshire, wiederholt hatte: Reitet die Kuh einst auf dem Stier, dann, Priester, geht’s ans Leder dir.

»Das habe ich schon gehört«, sagte er. Und dann: »Fahrt fort.«

Als ich geendet hatte, schwieg er lange und starrte mit leicht zusammengezogenen Brauen auf die schmutzbedeckte Mauer der Gasse. Dann wandte er sich mir zu. »Glaubt Ihr daran?«, fragte er.

Ich holte tief Atem. »Diese Frage habe ich mir so oft gestellt und immer wieder über alles nachgedacht – über Schwester Elizabeths Widerruf und Gertrudes Erklärung dafür, warum sie widerrufen hat. Und natürlich auch über die Möglichkeit, dass Orobas nur ein Scharlatan war, der es auf Gertrudes Geld abgesehen hatte. Ich weiß nicht, was ich von all dem halten soll. Ich drehe mich endlos im Kreis, es ist eine Qual.«

Ich legte ihm die Hand auf den Arm. »Sagt mir, Bruder Edmund, wie Ihr darüber denkt. Kann es solche Prophezeiungen überhaupt geben?«

»Oh, Propheten und Seher, Hexen und Geisterbeschwörer gibt es zuhauf, und alle behaupten sie, in die Zukunft sehen zu können«, antwortete Bruder Edmund. »Wie viel davon wahr ist, lässt sich unmöglich sagen. Natürlich gibt es Schwindler, die den Leichtgläubigen nur das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Aber Eure Erfahrungen, das, was Ihr gesehen und gehört habt, lassen mich doch glauben …«

Zu meiner Verblüffung lächelte Bruder Edmund. Das hatte ich nicht erwartet. Ich hatte geglaubt, er werde sich um mich ängstigen. »Schwester Joanna, ich glaube wirklich, dass hinter diesen Prophezeiungen eine Wahrheit steckt.«

Ich erschrak. »Und das ist Euch willkommen?«

»Es ist erschreckend, gewiss, und sehr mysteriös, aber überlegt nur einmal, wenn es wahr ist, dann seid Ihr die Ausersehene«, sagte er.

»Die Ausersehene?«, wiederholte ich verständnislos.

Er nahm mich bei den Armen und schüttelte mich, nicht im Zorn, sondern vor Erregung. »Durch Euch würden die Klöster wieder ins Leben gerufen.« Unsere Gesichter waren keine Handbreit voneinander entfernt – seins war wie verklärt. Eine starke Sehnsucht ging von ihm aus. Er hatte sein Leben als Dominikanermönch verloren, doch die Berufung war geblieben. Wir alle waren gezwungen worden, unseren Traum aufzugeben. Doch jetzt, nach dem, was ich enthüllt hatte, schien eine Erneuerung möglich. Warum also stürmte ich nicht voran, um die alte Ordnung, die unser Leben bestimmt hatte, wiederherzustellen? Ich trat mit so heftiger Bewegung von ihm weg, dass ich mit dem Rücken gegen die Backsteinmauer prallte.

Am Ende der Gasse lachte jemand laut, und ein Mann grölte: »So ist’s recht, Bursche – nimm sie dir, wo du kannst.«

Bruder Edmund trat einen Schritt zurück. Ich errötete tief.

Immer noch lachend machten die beiden Männer sich davon.

Ich räusperte mich. »Ich verstehe das alles nicht«, sagte ich. »Diese Bilder von allen möglichen Tieren – warum müssen diese Prophezeiungen so dunkel und geheimnisvoll sein?«

»Prophezeiungen sind gefährlich«, erwiderte Bruder Edmund, der seine Gelassenheit wiedergefunden hatte.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.